jueves, 27 de enero de 2011

Nachhilfe für Radiosprecher

Von Jolanthe Soyka

Der bedauerliche Sprachverfall ist nicht nur optisch allgegenwärtig (Zeitungen, Bücher, Geschäftsaufschriften strotzen von Fehlern, von den dümmlichen Anglizismen ganz zu schweigen) – auch akustisch breitet sich die „Sprachschluderei“ immer mehr aus. Der aufmerksame Radiohörer muß sich täglich Schlampereien in der Aussprache und teils schwere grammatikalische Fehler anhören.

Die hier behandelten Beispiele beziehen sich auf den „Kultursender“ Ö1, der den in ihn gesetzten Erwartun- gen leider längst nicht mehr gerecht wird. In den Nach- richten hören wir von „Ameriga“ und noch häufiger von „Groatien“, oft auch von „Aropa“. Der Wetterbericht bringt vor allem in der kälteren Jahreszeit Voraussagen wie: „In den Bergen schneides kräftig.“ Hier versteht wohl jedermann, daß im Wort schneit das Schluß-t stimmlos, im Volksmund „hart“ genannt, ausgesprochen werden muß. Aber wie verhält es sich mit dem ebenfalls sehr oft zu hörenden „Heute wird es wärmer“? Nun, auch das ist falsch, denn es gilt die Regel, daß im Deutschen alle auslautenden Konsonanten stimmlos (= hart) auszusprechen sind. Man spricht: das Grap (= Grab, natürlich mit langem a), der Berk (= Berg, wobei der Endkonsonant allerdings nicht oder kaum behaucht wird), es wirt (= wird). Zieht man nun im schnellen Sprechverlauf ein solcherart auslautendes Wort mit dem folgenden, das mit einem Vokal beginnt, zusammen, so lautet die kor- rekte Aussprache: „Das Grap ist leer; der Berk überragt die Landschaft; heute wirt es warm.“ Ja, selbst wenn das folgende Wort mit einem Mitlaut beginnt, ist der stimm- lose Endlaut noch deutlich zu hören; wir dürfen also in der Hochsprache nicht sagen: „Es wird lustig“, sondern „Es wirt lustig“; und auch eine Mondfinsternis muß richtig als „Montfinsternis“ ausgesprochen werden.

Im Wiener Dialekt, wie er z. B. in den Bezirken Favoriten und Ottakring zu hören ist, wird bei Wör- tern, die mit einem l beginnen, dieses gerne mit der Zunge ganz vorne an den Schneiderzähnen gesprochen („lllääwaund“). Solches wäre natürlich bei einem Radiosprecher ganz und gar verpönt, daher wird in der Sprecherausbildung das richtige l – oben am Gaumen – sorgfältig gelehrt. Doch dann schütten einige Sprecher, wiederum sind es oft die Wetterfrösche, gleichsam das Kind mit dem Bade aus und nennen unser westlichstes Bundesland „Vorahlberg“. Dies ist natürlich falsch, denn im Anschluß an ein r muß das l auch in der Hochsprache vorn an den Zähnen gebildet werden. Dasselbe gilt auch für die typisch österreichische Verkleinerungsform auf -erl, z. B. Zuckerl. Auch hier war leider schon die Aussprache „Zuckall“ in Ö1 zu hören.

Wir empfehlen also den Sprechern des Kultursenders ein Auffrischungsseminar (bitte um Gottes willen keinen Refresher!) zur deutschen Aussprache.

Und nun zur Grammatik. Ein allerorten anzutref- fendes Übel, der Schwund des Genetivs, hat sich in Ö1 ebenfalls schon ausgebreitet. Kulturredakteure beiderlei Geschlechts begrüßen z. B. „den Direktor des Museum für Völkerkunde“, und die Abteilung Religion berichtet über „den Beginn des Fastenmonat Ramadan“ oder zitiert einen „Brief des Apostel Paulus“. Unsere Leser wissen sicherlich, daß das Museum, der Monat und auch der Apostel im zweiten Fall ein s angehängt bekommen und man daher „den Direktor des Museums für Völkerkunde“ begrüßen, über „den Beginn des Fastenmonats Ramadan“ berichten und „einen Brief des Apostels Paulus“ zitieren muß.

Eine ganz besondere Herausforderung für Rundfunksprecher scheint der Genetiv im Zusammenhang mit Namen und Ordnungszahlen zu sein, wie man z. B. bei der Nennung von Herrschern oder Päpsten erkennen kann. Historiker haben ihre liebe Not mir den vielen Ehefrauen „des Königs Heinrich der Achte“ bzw. „König Heinrichs des Achten“ (hätten Sie ’s gewußt?), und ebenso stolpert die schon erwähnte Abteilung Religion über die Genitive der diversen Päpste. Wollen wir ihnen eine kleine Nachhilfe erteilen? Es heißt richtig „die Enzyklika Humanae vitae (Papst) Pauls des Sechsten“ oder etwa „die Reisen (Papst) Johannes Pauls des Zweiten“ und schließlich „das Jesus-Buch (Papst) Benedikts des Sechzehnten“. Man könnte in all diesen Fällen allerdings auch das Wort Papst in den zweiten Fall setzen, dann bleibt der Name – nicht aber die Ordnungszahl – undekliniert: „des Papstes Paul des Sechsten, des Papstes Johannes Paul des Zweiten, des Papstes Benedikt des Sechzehnten“.

Der Genitiv ist ein langsam aussterbender Kasus, hieß es schon in meiner Schulzeit vor gut 50 Jahren. Wovon man damals aber noch nichts ahnte, das ist das offensichtliche Aussterben weiblicher Possessiv- und Relativpronomina. Eine ORF-Mitarbeiterin, die um Spenden für „Nachbar in Not“ bittet, spricht im Zusam- menhang mit den Überschwemmungen in Pakistan von einer „Katastrophe, von dessen Ausmaß man sich keinen Begriff macht“. Das Wort „deren“ ist hier also offensichtlich in Vergessenheit geraten. Leider noch weit häufiger vergessen viele Leute und eben auch Ö1-Redakteure das besitzanzeigende Fürwort „ihre“ und sagen statt dessen z. B. „Die Republik Österreich und seine Bürger ...“

Und in der Sendung „Von Tag zu Tag“, in der die Hörer anrufen und mit den Studiogästen sprechen können, sagte kürzlich die Moderatorin: „Jetzt hätte ich noch gerne Herrn X ins Studio geschalten.“ Wie bitte? Schalten – schilt – geschalten? Nein, natürlich: schaltete – geschaltet! Eigentlich ein sehr wichtiges Wort für eine Radiomoderatorin, möchte man meinen.

Diese Fehlerliste ist natürlich bei weitem nicht vollständig ... Aber vielleicht fällt der eine oder andere Hinweis auf fruchtbaren Boden. 

Teilen Sie uns Ihre Erfahrungen mit der Sprache des Rundfunks mit! Wir wollen die treffendsten Beobachtungen in den Wiener Spracbläμern veröffentlichen.


Rasierklingen „Rundfunk Sonderklasse“, um 1930, Technisches Museum Wien (Quelle: Kampf um die Stadt. 361. Sonderausstellung des Wien-Museums. Katalog. Wien: Czernin Verlag 2010).
 Quelle: Sprachblätter






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