jueves, 30 de diciembre de 2010

Die Sprache(n) der Wissenschaft

von Magdalena Bayreuther

Ein Kolloquium an der Universität Bamberg befaßte sich mit dem historischen und gegenwärtigen Status des Deutschen als Wissenschaftssprache.



Neben Beiträgen zur Entwicklung des Lexikons und der Syntax und den Wissenschaftssprachen Französisch und Polnisch standen Vorträge zur Geschichte der Wissenschaftssprache Deutsch und zu ihrer Lage in verschiedenen Wissenschaften auf dem Programm. Veranstalter waren Prof. Dr. Helmut Glück, Dr. Wieland Eins und Dipl. Germ. Sabine Pretscher.

Christopher Baethge (Köln), Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Redakteur beim Deutschen Ärzteblatt, berichtete über die Lage der Wissenschaftssprache Deutsch in der Medizin. Seiner Einschätzung nach sei das Deutsche dort nicht existentiell bedroht, da es in der Praxis, zum Beispiel beim Patientenkontakt, unerläßlich sei. Bei den Zeitschriftenbeiträgen, die in der Medizin den Großteil der fachlichen Publikation ausmachten, steht jedoch eindeutig das Englische im Vordergrund. Henning Hopf (Braunschweig) gab Auskunft über die Wissenschaftssprache Deutsch in der Chemie. Bis in die 1960er Jahre spielte das Deutsche dort eine große Rolle. Inzwischen sei es fast völlig durch das Englische verdrängt worden, wie man zum Beispiel am „European Journal of Organic (bzw. Inorganic) Chemistry“, dem zentralen europäischen Veröffentlichungsorgan, sehen könne. Publiziert wird hier ausschließlich auf Englisch.

In den Wirtschaftswissenschaften sei die Stellung des Deutschen dagegen nicht aussichtslos, wie Walter Krämer (Dortmund) mit- teilte. So müßten deutsche Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Ergebnisse in der Sprache des Auftraggebers veröffentlichen. An vielen Wirtschaftsschulen sei die Unterrichtssprache wie- der vom Englischen auf das Deutsche umgestellt worden. Laut Krämer sei die englische Sprache als „Türöffner“ gut dafür geeignet, ausländische Studenten an deutsche Universitäten zu holen. Die Studierenden müßten dann aber in den folgenden ein bis zwei Jahren Deutsch lernen. Auch in der Philosophie dominiere das Englische laut Pirmin Stekeler-Weithofer (Leipzig) seit etwa 1970. Allerdings sei das Interesse an der deutschen Sprache dank der großen deutschsprachigen Philosophen des 19. und 20. Jahrhunderts nicht gänzlich erloschen. Wichtig seien in der Philosophie vor allem „kompetente Sprecher, die Herr ihrer Sprache sind“. Deswegen sei es ärgerlich, daß philosophische Veröffentlichungen aus Deutschland oft schlecht ins Englische übersetzt werden, da es Schwierigkeiten mache, die philosophische Quintessenz in ihrem genauen Sinn zu übertragen.

Urszula Żydek-Bednarczuk (Kattowitz) berichtete über das Polnische als Wissenschaftssprache. Demnach entwickelte sich ein wissenschaftlicher Stil im Polnischen schon in der Renaissance. In letzter Zeit überwiege aber immer mehr die Alltagssprache in wissenschaftlichen Texten, und das Interesse an der Wissenschaftssprache Polnisch nehme ab. In seinem Bericht zum Französischen als Wissenschaftssprache erwähnte Martin Haase (Bamberg) zunächst zwei wichtige historische Ereignisse: die Gründung der Académie française 1634/35 und die Enzyklopädie von Denis Diderot im 18. Jahrhundert. 1964 erschien der Artikel „Parlez-vous franglais“ von Rene Etiemble, in dem scharfe Kritik an Umgangs-, Zeitungs- und Werbungssprache geübt wurde. Haase bezeichnete ihn als „Sputnikschock der Franzosen“. Daraufhin initiierte der Staat den „Haut Conseil de la langue française“, der sich seitdem mit entsprechenden Terminologiekommissionen und
-erlassen um neue Wörter im Französischen kümmert.

Thomas Baier (Würzburg) referierte über „Die Entstehung der lateinischen Wissenschaftssprache aus dem Geist der hellenistischen Literatur“. Er setzte die Entstehung einer lateinischen Fachsprache durch Cato den Älteren um ca. 240 v. Chr. an. Sie sei mit der Entwicklung einer Fachterminologie und mit den Stiltugenden perspicuitas und brevitas durch Lukrez und Cicero zu ihrer Entfaltung gekommen. Die Entwicklung der Wissenschaftssprache Deutsch aus dem Lateinischen war Gegenstand des Vortrags „Deutsch statt Latein! Zur Entwicklung der Wissenschafts- sprachen in der frühen Neuzeit“ von Wolf Peter Klein (Würzburg). Er behandelte vor allem die „Vor- und Frühgeschichte“ dieser Entwicklung, die Ende des 17./ Anfang des 18. Jahrhunderts einsetzte und vor allem praktischen Notwendigkeiten entsprang: Man brauchte deutsche Bezeichnungen in der Medizin, der Kräuterkunde, der Mathematik etc. Roswitha Reinbothe (Duisburg) referierte über die „Geschichte des Deutschen als Wissenschaftssprache im 20. Jahrhundert“, das nach dem Ersten Weltkrieg durch einen massiven Boykott durch die Siegermächte einen an Bedeutung verlor und durch das Englische und Französische ersetzt wurde.

Wie sich dieser Domänenverlust des Deutschen auf die deutsche Sprache auswirkte, erörterte Peter Eisenberg (Pots- dam) in seinem Beitrag „Deutsch ohne Wissenschaft. Hat der Nicht- gebrauch Folgen für die Sprache?“ Er unterstrich, daß das Ansehen einer Sprache zunächst innerhalb seiner Sprechergemeinschaft sinke: „Die Wissenschaft braucht die ganze Sprache, nicht nur den ‚guten Stil‘“.

Konrad Ehlich (Berlin) schließlich befaßte sich mit „Wissenschaftssprachlichen Strukturen“, die von einer allgemeinen Charakteristik über ihre Voraussetzungen und lexikalischen Strukturen bis hin zur Wissenschaftssprachkomparatistik führten.

Quelle: Sprachnachrichten 04/2009

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