martes, 15 de noviembre de 2011

Deutsch in der EU - Gespräch mit Michael Gahler, MdEP

Sprachnachrichten: Herr Gahler, Sie sind Abgeordneter des Europäischen Parlaments. Hier geht es der deutschen Sprache noch verhältnismäßig gut, besser jedenfalls als in den anderen EU-Institutionen. Wie zufrieden sind Sie mit der Sprachenpraxis des Parlaments? 

Gahler: Ich bin damit relativ zufrieden. Die Verdolmetschung ist in allen Plenar-, Ausschuß-, Fraktions- und Fraktionsarbeitskreissitzungen gewährleistet. Dokumente, deren Ursprung nicht deutsch ist, liegen für die Ausschußarbeit in der Regel auf Deutsch vor, bevor die Änderungsantragsfrist zu laufen beginnt. Berichterstatter müssen zwei Wochen vor Befassung im Ausschuß ihre Entwürfe zur Übersetzung einreichen, damit zur Sitzung alle Sprachen vorliegen. Jeder vom Europäischen Parlament (EP) beschlossene Text ist in der verabschiedeten Fassung am nächsten Tag auch in deutscher Sprache im Internet. Erstaunlich viele nichtdeutschsprachige Mitarbeiter der EP- und Fraktionsverwaltungen können Deutsch und sprechen dies auch mit den Abgeordneten. Als Deutschsprachige sollten wir uns auch für andere Sprachen einsetzen, damit wir umgekehrt Unterstützung bekommen. Seit etwa vier Jahren ist das Intranet des EPs deutsch, englisch, französisch (vorher nur englisch und französisch). Seit etwa drei Jahren sind überall im Parlament Ter­minals aufgestellt, wo man in allen Sprachen alle Sitzungen bequem aufrufen und alle Abgeordnete inklusive Lebenslauf ausfindig machen kann. 

SN: Aber viele wichtige Internetseiten des Parlaments erscheinen nur auf Englisch und Französisch. Ich denke da zum Beispiel an den Vermittlungsausschuß zwischen Rat und Parlament oder an die Videosendungen von EuroparlTV, deren Originalton in der Regel französisch oder englisch ist. Wieso nicht auch deutsch? 

Gahler: Der Pressedienst des EP arbeitet außerhalb der „Schlagzeilenseite“ meist auf Englisch und Französisch, weil dies die Arbeitssprachen der Journalisten seien. Ich habe dies kürzlich erneut bemängelt und Gleichbehandlung von Deutsch und Französisch angemahnt, weil Deutsch neben der größten Muttersprache die zweitgrößte verstandene Sprache in der EU ist. Der Originalton von EuroparlTV ist inzwischen englisch mit Untertiteln in jeder Sprache. Wenn deutschsprachige Abgeordnete in eigenen Sprachangelegenheiten etwas mehr Druck machen würden, würde sich sicher etwas ändern. Da die Praxis in Vermittlungsverfahren aber ist, daß von allen fast ausschließlich englisch gesprochen wird, scheinen die Betroffenen den Mangel an Deutsch nicht als so gravierend zu empfinden. 

SN: Bundestagspräsident Norbert Lammert hat sich wiederholt dagegen gewehrt, dass ihm entscheidungsrelevante Dokumente der Europäischen Kommission nur in englischer und französischer Sprache zugesandt wurden. Andererseits hat die deutsche Seite ganz offiziell zugelassen, daß in der sogenannten „Konferenz der Europaausschüsse der Parlamente“ Englisch und Französisch die einzigen Arbeitssprachen sind. Wirken Forderungen des Bundestages nach „mehr Deutsch“ da überhaupt noch glaubwürdig? 

Gahler: Traditionell sind wir nicht sehr konsequent in der Verfolgung eigener Sprachinteressen. Allerdings werden die Gesetzgebungsdokumente sowohl als Entwurf von der Kommission als auch in der verabschiedeten Fassung nur in deutscher Sprache an den Bundestag gesandt. Auch Mitteilungen der Kommission werden immer dreisprachig veröffentlicht. Ich halte es allerdings nicht für vertretbar, jeden technischen Anhang, der keinerlei politische Relevanz hat, in alle Sprachen zu übersetzen. Da muß Englisch genügen. Für entscheidend halte ich, daß jeder Bürger in der offiziellen EU-Sprache, in der er sich an die EU-Institutionen wendet, auch eine Antwort bekommt. Für die Antragstellung auf EU-Fördermittel gleich welcher Art muß gelten: sie muß auch auf Deutsch erfolgen können. 

SN: Der halbjährlich wechselnde Vorsitz des Rates der Europäischen Union hat über viele Jahre in seinen Netzauftritten die deutsche Sprache gegen diesen Mißstand zunächst vom Europäischen Bürgerbeauftragten und dann auch vom Plenum des Europäischen Parlaments voll unterstützt wurde, hat sich an dieser Praxis lange nichts geändert. Auch die jüngsten erfreulichen Ausnahmen Belgiens, Ungarns und Polens beruhen noch nicht auf einer verbindlichen Regelung des Rates, wie sie vom Europaparlament gewünscht wurde. Wirft dies nicht ein bezeichnendes Licht auf den Mangel an Einfluß, unter dem das Europaparlament in der EU derzeit noch leidet? 

Gahler: Die Frage der Vielsprachigkeit der Webseite der Ratspräsidentschaft richtet sich nicht an das EP, sondern an den Rat ... 

SN: ... der allerdings eine an ihn gerichtete Entschließung des EP in dieser Frage völlig ignoriert hat. 

Gahler: Der Rat ist an nichtlegislative Entschließungen des EP nicht gebunden. Außerdem geht die Wertschätzung für die deutsche Sprache nicht unbedingt soweit, daß sich Spanier, Italiener oder Polen für Deutsch einsetzen, während sie ihre eigene Sprache dann dort nicht wiederfinden. 

SN: Wird Ihrer Ansicht nach von der deutschen Politik alles getan, was zu einer Besserstellung der deutschen Sprache in der EU gegen- wärtig realisierbar ist? Gibt es Bereiche, in denen noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind? 

Gahler: Angesichts größter Herausforderungen in anderen Bereichen der EU-Politik liegen die Prioritäten derzeit woanders. Ich bin aber mit Ihnen der Auffassung, daß im Bereich der Übersetzungskapazitäten erweitert werden kann. Es ist dann aber schnell auch eine Finanzierungsfrage. Man könnte erwägen, Übersetzungen nur noch für die Ausgangs- und Endfassungen gemeinschaftlich zu finanzieren, so daß jeder für in Anspruch genommene Mehrleistungen je nach Umfang selbst bezahlt. Dann wüßten wir, wie viel uns unsere Sprache wirklich wert ist. 

Die Fragen stellte Dietrich Voslamber. 

Quelle: Sprachnachrichten 51/Sep 2011

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